Jugend forscht / Landessieger im Bereich Informatik wurden die Haller
Abiturienten Igor Pochorovski und Philipp Stephani
Aus Spielerei am Taschenrechner...
...ist ein Simulationsprogramm für den Physik-
und Chemieunterricht entstanden - weitere Einsatzmöglichkeiten
Die zwei Haller Abiturienten Philipp Stephani und Igor Pochorovski
wurden beim Wettbewerb "Jugend forscht" Landessieger im Fach
Mathematik/Informatik. Vom 26. bis 29. Mai dürfen sie nun zum Bundeswettbewerb
nach Dortmund reisen
Ernst-Walter Hug
Schwäbisch Hall. Die Welt
im Kasten nennen die beiden Haller Abiturienten ihr Projekt, "SphereSimulation"
heißt ihr Computerprogramm. Ausgangspunkt des Projektes "Die
Welt im Kasten" war eine kleine Spielerei auf Igor Pochorovskis
graphischem Taschenrechner, drei Pixel, die auf dem Minibildschirm herumhopsten
und aufeinander reagierten. Das berühmte Dreikörperproblem
in der Physik
Das Dreikörperproblem ist eigentlich eine klassische Fragestellung
der Himmelsmechanik: Wie bewegen sich drei Körper unter dem Einfluss
ihrer gegenseitigen Anziehung? Etwa Sonne, Erde und Mond. Das "Problem"
dabei ist, dass es keine mathematisch exakte Lösung für das
Problem gibt. Man muss also, wenn man Positionen und Geschwindigkeiten
vorhersagen will, Näherungsverfahren anwenden. Das Dreikörperproblem
ist nicht nur von akademischen Interesse, sondern spielt auch eine wichtige
Rolle beim Verständnis der Dynamik in unserem Sonnensystem. Oder,
wenn man wie beim Computerprogramm der Haller Schüler, auch andere
Parameter statt der Gravitationskräfte einsetzen kann, auch bei
manch andrer Problematik der Wissenschaft: wie verhalten sich beispielsweise
durch Federn verbundene Punkte (ein Netz) beim Aufprall eines Körpers?
Da man das Netz aus beliebig vielen Punkten simulieren kann, die Federn
von beliebiger Stärke definiert, ergibt sich daraus auch ein Modell
für beinahe jedes beliebige Material: Wie verhält sich Stoff
xy bei Aufprall eines Körpers.
Definiert man weder Federn noch Gravitationskräfte sondern die
Wechselwirkung etwa zwischen Protonen und Elektronen, erhält man
mit demselben Programm eine Chemie-Simulation. Wie sehen Wassermoleküle
aus, wie entsteht Methan, welche Schwingungen entstehen in einem Großmolekül
oder einem Kristallgitter, wenn Kräfte von außen einwirken.
..
Etwa anderthalb Jahre arbeiten Igor und Philipp jetzt daran. Aus den
Pixeln auf dem Taschenrechner wurde erst ein Referat im Unterricht,
dann, mittlerweile hatte Philipp Stephani das Programm auf dem Computer
übertragen, implementierten sie eine Oberfläche, damit die
Ergebnisse anschaulicher wurden, erst zweidimensional in der Darstellung,
mittlerweile dreidimensional. Und: die simulierten Körper wurden
innerhalb des Programmes so gestaltet, dass sie manipulierbar waren:
Größe, Masse, Ladungen... und mit der Maus an jede beliebige
Ausgangssituation geschoben werden konnten. Eine in der Schule bekanntgegebene
Ausschreibung brachte die beiden mit ihrem Programm zur Teilnahme am
Wettbewerb um den "Jugend-Software-Preis", der von der Heidelberger
"Klaus-Tschira-Stiftung" ausgeschriebenen war. Sie kamen in
die Endrunde, gewannen letztlich aber keinen Preis.
Eigentlich wird an dem Programm ständig etwas verbessert. So bekam
"SphereSimulation" einige Szenarios verpasst, einen 'chaotischen'
Spaß-Raum, vorprogrammierte Beispiele aus der Physik und der Chemie
und natürlich das klassiche Drei-Körperproblem: Sonne, Erde
Mond. Beim Regionalwettbewerb von "Jugend forscht" in Künzelsau
war bereits alles vorführbereit und ihre ihre eingereichte Beschreibung
von Programm und Einsatzmöglichkeiten, etwa im Schulunterricht,
überzeugte die Jury.. Philipp und Igor erhielten einen ersten Preis.
Doch nicht erst der Regionalwettbewerb selbst, schon dorthin zu kommen,
war für die beiden Schüler ein Abenteuer. Planetensimulationen
per Mausklick zu verschieben ist kein Problem. Aber woher bekommt man
zwei DIN A1 große Plakate für den Jugend-Forscht-Stand? Ein
Haller Copy-Shop wollte ihnen einen 45 €uro teuren Plotter-Ausdruck
andrehen: unbezahlbar fürs Schüler-Taschengeld. So verfielen
sie auf die Aufteilung des Plakatentwurfes in DIN A4-Blätter und
den Ausdruck auf einem Farb-Tintenstrahldrucker im Internetcafe in der
Gelbinger Gasse. Die Einzelblätter klebten sie dann mit doppelseitigem
Klebeband aufs A1-Plakat. Transport nach Künzelsau: ungerollt im
blauen Müllsack-Schutzmantel...
Ähnlich ging's einige Wochen danach (Igor Pochorovski war zwischendurch
noch als einer von 60 Teilnehmern bei der Chemie-Olympiade in Köln
und ist nun einer der 15, die weiterkamen) als nur 14 Tage nach dem
Regionalwettbewerbe Anfang März der Landeswettbewerb im Stuttgarter
Haus der Wirtschaft stattfand. Diesmal waren die Jungforscher nicht
in einer Jugendherberge, sondern in einem Sterne-Hotel untergebracht,
und neben der bloßen Vorführung ihrer Arbeiten gab es für
sie noch jede Menge Programm: Seminare, Kurse, Abendshows und eine große
Party im Aquarium der Wilhelma, wo Stephani und Pochorovski auch erfuhren,
dass sie wiederum gewonnen hatten und nun als eines von neun Teams aus
Baden-Württemberg Ende Mai nach Dortmund zum Bundeswettbewerb "Jugend
forscht" zugelassen sind. Bei dessen Vorbereitung, so hoffen die
beiden Haller, werden sie nicht nur von einzelnen Lehrern und Klassenkameraden
- Gerhard Braun stellte bislang Beamer und Notebook zur Verfügung
Mathelehrer Horst Schindler half beim Kopieren und Mitschüler Tobias
Dürr ließ zu Hause den Farblaserdrucker 'heiß' laufen
sondern ganz offiziell von der Schule unterstützt, vielleicht
ja auch von der Stadt Schwäbisch Hall selbst. "Uns wäre
schon viel geholfen, wenn wir unsere Standplakate ausdrucken und unsere
Anschauungsblätter in Kunststofffolien einschweißen könnten,
ohne dass dadurch unser Taschengeldbudget strapaziert wird".
Und - ach ja - zwischendurch haben die Jungforscher auch noch ihr Abitur
abzulegen...
|