Dokumentation

Elisabeth Kübler-Ross
Dem Tod ins Gesicht sehen
Land/Jahr: CH 2002
Laufzeit: 98 min.
FSK: 0 J.
Regie: Stefan Haupt
Kamera: Christian Davi, Jann Erne, Patrick Lindenmaier
Ton: Thomas Thümena, Martin Witz
Schnitt: Stefan Kälin
Tonschnitt / Mischung: Dieter Lengacher
Musik: Klaus Wiese, Peter Landis
Kommentar: Martin Witz, Stefan Haupt
SprecherIn: Hanspeter Müller, Eleni Haupt
Eine Produktion der Fontana Film Zürich, Stefan Haupt in Co-Produktion mit SF DRS / SRG

Elisabeth Kübler-Ross hat sich ihr Leben lang mit dem Sterben beschäftigt und damit Weltruhm erlangt. Mit 23 Ehrendoktor-Titeln ist sie wahrscheinlich die akademisch meist ausgezeichnete Frau der Welt. Ihr Engagement als Ärztin, Wissenschaftlerin und Autorin hat nach eigenem Bekunden "das Sterben aus der Toilette geholt" und Sterbebegleitung überhaupt erst zum Thema gemacht.

Der Kampf gegen die Tabuisierung des Todes in der westlichen Welt verbindet sich mit der Reibung an Autoritäten. Nicht zuletzt in der Konfrontation mit dem engen Weltbild der Schulmedizin und beeindruckt von Nah-Tod-Erfahrungen dringt Elisabeth Kübler–Ross in neue Grenzbereiche vor.

1926 in Zürich geboren, studierte sie gegen den Willen ihrer Eltern Medizin und kämpfte in den USA um Anerkennung als Psychiaterin. 1969 erlangte sie durch ihre Arbeit mit Sterbenden in Chicago und durch ihr Buch "On Death and Dying" ("Interviews mit Sterbenden") internationalen Ruhm. Es folgten unzählige Workshop- und Vortragsreisen durch die ganze Welt und der Aufbau eines eigenen Zentrums in Virginia. 1994 wurde das Wohnhaus ihres Zentrums durch Brandstiftung zerstört - Anwohner fürchteten, sich mit Aids zu infizieren. Heute lebt die Schweizer Ärztin nach mehreren Schlaganfällen zurückgezogen in Arizona, nahe jenem Übergang, den sie selber so leidenschaftlich erforscht hat.

Im Zentrum des Films stehen die Gespräche mit Elisabeth Kübler-Ross in Arizona. Zu sehen ist eine psychisch vitale Frau, geistig glasklar, voller Humor und immer noch unbequem. Sie blickt auf ihr Leben zurück, erzählt von ihrer Kindheit, ihrer Arbeit mit Sterbenden und Aids-Kindern und davon, wie sie mit ihrem eigenen Altern und Sterben umzugehen versucht.

Statements ihrer beiden Drillingsschwestern, Interviews mit Freunden und Mitarbeitern sowie reichhaltiges Archivmaterial runden dieses angenehm unprätentiöse und differenzierte filmische Portrait ab.

Elisabeth Kübler-Ross ist am am Abend des 24. August 2004 in ihrem Haus in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona im Alter von 78 Jahren verstorben. Sie hatte in den letzten Jahren mehrere Schlaganfälle erlitten

 

 

 

In ihrem Buch On Death and Dying (Interviews mit Sterbenden) beschreibt Elisabeth Kübler-Ross fünf Stadien, die Sterbende durchlaufen können:

Leugnen: "Nicht ich, das kann unmöglich mir passieren."
Zorn: "Warum ausgerechnet ich?"
Verhandeln: Hadern mit Gott.
Depression: Das Spiel ist aus.
Akzeptanz: Es ist gut so.

 

Interview mit Regisseur Stefan Haupt

Elisabeth Kübler Ross lebte zur Zeit der Entstehung des Films nach mehreren Schlaganfällen sehr zurückgezogen in der Wüste Arizonas. Hatten Sie Schwierigkeiten mit ihr in Kontakt zu treten?

Die ersten Recherchen waren ernüchternd. Gleich von mehreren Seiten hörte ich: Was, die Frau ist doch schon längst tot. Als ich sie aber Monate später und nach etlichen Umwegen endlich selber am Telefon hatte und anfragte, ob ich sie im Hinblick auf einen eventuellen Film besuchen dürfe, meinte sie nur lakonisch: "Einem Schweizer kann ich nicht Nein sagen." Wann ich denn komme – und dass ich Läckerli mitbringen solle, und zwar die von der Migros, die andern seien ihr zu hart.

Gleichzeitig begannen Sie auch das Umfeld zu recherchieren.

Richtig, dank dem grossen Einsatz meiner Mitarbeiterinnen hatte ich Berge von Zeitungsartikeln, Archivmaterialien, Fernsehinterviews, Bücher, Doktorarbeiten und Namenslisten von weiteren möglichen Interviewpartnern und -partnerinnen aus ihrem schier endlosen Umfeld zur Auswahl. Es gab eine Fülle schwieriger Entscheidungen, was davon tatsächlich im Film Verwendung finden sollte.

Elisabeth Kübler-Ross wirkt, wie wir im Film sehen, im Kontakt mit Kranken beinahe unberührbar. Wie war Ihr persönlicher Eindruck?

Die Begegnungen, ab September 1999, waren sehr spannend. Was mit einer Mischung aus Müdigkeit, Widerborstigkeit, Trotz und distanziertem Beobachten ihrerseits begann, wich immer mehr einem unverkennbaren Humor, einer Leichtigkeit mit überraschender Anteilnahme, einem riesengrossen Herz – und plötzlichen Momenten der Stille. Und dann, aus dem nichts heraus, etwa auch sehr direkten Fragen: "Wie erziehen Sie ihre Kinder? Reden sie über den Tod? Wie suchen Sie sich ihre Mitarbeiter aus? Intuitiv? Gut so!"

Hat die Arbeit von Elisabeth Kübler-Ross als Wissenschaftlerin, Ärztin und Autorin den Umgang mit dem Tod in unserer Gesellschaft verändert?

Das Thema Tod löst natürlich nach wie vor Angst aus. Angst vor dem unwiderruflichen Abschied, vor dem eigenen Sterben, vor dem der Eltern, des Partners, der Partnerin, vor dem der eigenen Kinder. Über weite Epochen hinweg war der Tod fast ausschließlich eine Domäne der Geistlichkeit gewesen: die Ärzte waren nur am Leben interessiert. Wie kaum eine zweite Person hat Elisabeth Kübler-Ross in den letzten Jahrzehnten mit diesem Tabu gebrochen und dazu verholfen, dass heute das Sterben vermehrt als wesentlicher Teil des Lebens aufgefasst wird. Die Hospizbewegung, verschiedene Formen heutiger Sterbebegleitung sowie Selbsthilfegruppen für Trauernde sind zu einem erheblichen Teil auf ihre Initiative zurück-zuführen.

Die Beschäftigung mit dem Tod ist ja meist aus der Konfrontation damit geboren. Denken Sie, das erzeugt eine gewisse Schwellenangst, sich den Film anzuschauen?

Neben der Angst vor dem Tod gibt es auch ein Gefühl für die Bedeutung und den Gewinn, den es haben kann, sich mit dem Tod, mit dem Sterben schon jetzt, mitten im vollen Leben, zu beschäftigen. Nicht erst, wenn der Tod sich unmittelbar ankündigt, oder eine schwere Krankheit einen dazu zwingt. Dies ist, so bin ich überzeugt, keineswegs nur ein Thema für Alte oder Todkranke. Deprimierend ist der Film jedenfalls keineswegs, im Gegenteil: von den Zuschauern höre ich immer wieder, wie der Film überraschenderweise witzig und humorvoll ist – und statt eines Films über den Tod vielmehr ein Film über das Leben sei.

Wie geht es Elisabeth Kübler-Ross heute?

Im September 2002 fiel sie, als sie alleine zuhause war, aus dem Bett. Der Alarm, den sie immer bei sich trägt, funktionierte aus unerklärlichen Gründen nicht, so dass sie für eineinhalb Tage unbemerkt in ihrem Haus am Boden lag. Nach einem nötig gewordenen Spitalaufenthalt lebt sie nun in einem Pflegeheim in Scottsdale, Arizona, ganz in der Nähe ihres Sohnes Kenneth.

Zum Abschluss noch die Frage: Hat Elisabeth Kübler-Ross den Film schon gesehen?

Ja, am Telefon meinte sie, es habe ihr sehr gefallen, endlich wieder einmal mit ihren Schwestern plaudern zu können, und all ihre Patienten sehen zu können. Sie finde den Film "verflixt schön…"